"Aufbruchstimmung" in der Psychosomatischen Medizin!?

Klar ist: Es besteht Handlungsbedarf.
So der Konsens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops "Perspektive Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie" beim DGPM- Kongress in Heidelberg. Die Initiative, die sich als berufspolitisches Forum vor allem derjenigen sieht, die noch ein langes Berufsleben vor sich haben, traf sich erstmalig öffentlich seit der Gründung Anfang dieses Jahres.
Die hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen aus Kliniken und Praxen waren sich über folgendes einig: Sie wollen mit einem ärztlichen Selbstverständnis psychosomatisch-psychotherapeutisch tätig sein und das geht derzeit nur unzureichend.

Wut, Enttäuschung und Resignation über Streichung von psychosomatischen Betten, nicht honorierte Konsiliardienste, Fehleinweisungen von Patienten in psychiatrische Abteilungen bei den Klinikärzten, sowie über die Mini- Budgets für Psychosomatische Leistungen bei den Niedergelassenen prägte schnell die Atmosphäre. Dazu die immer noch bestehende Unwissenheit der Kolleginnen und Kollegen anderer Fachgruppen und in der Allgemeinbevölkerung bzgl. der Kompetenzbereiche des Fachgebietes der Psychosomatischen Medizin und Ärztlichen Psychotherapie und die Abgrenzungsproblematik zu Psychiatern und psychologischen Psychotherapeutinnen und Therapeuten. Die Einzelsituationen der meisten Anwesenden waren unbefriedigend und konterkarierte teilweise die ursprüngliche und notwendige Aufgabe und ärztliche Verantwortung, die Patienten psychosomatisch versorgen zu können.

Fazit: Grundlegendes muss sich ändern. Wir müssen uns selber als Psychosomatiker und Ärztliche Psychotherapeuten zeigen und uns dahin, wo wir immer schon hingehören, gestalterisch und gemeinschaftlich platzieren: an die Schnittstelle zwischen Psyche und Soma.

Wie könnten wir das erreichen?
Einigkeit bestand darin, dass wir die Begriffe "Psychosomatik" und "Ärztliche Psychotherapie" immer wieder stärken sollten. Folgendes könnte dahingehend weiterhelfen:

  • Erstellen von Flyern über die Aufgabenbereiche von Psychosomatikern und Ärztlichen Psychotherapeuten für fachfremde Kolleginnen und Kollegen und für Patientinnen und Patienten
  • Aufklärung über konkrete psychosomatische Erkrankungen ebenfalls mit Hilfe von Flyern für Patientinnen und Patienten (z. Bsp. Schmerzstörung, Somatoforme Störungen, Essstörungen etc.), die in Praxen und Kliniken ausgelegt werden
  • Aufklärung und Vertrauensgewinnung durch Veröffentlichungen in Zeitungen zu den psychosomatischen Themen
  • Intensivierung der Kontakte zu Ärztinnen und Ärzten anderer Fachrichtungen, um die Begriffe Psychosomatik und Ärztliche Psychotherapie verständlicher und geläufiger zu machen
  • Intensivierung der Vernetzung mit anderen Fachgruppen zum Beispiel auch in gemeinsamen Symposien und Kongressen, besonders auch mit den Hausärzten und Internisten, die oft erste Ansprechpartner der Patientinnen und Patienten sind und deren Vertrauen haben
  • Forderung der Begutachtung der Anträge durch ärztliche und nicht psychologische Gutachter, da es sich um psychosomatische Erkrankungen handelt (eine Notiz an die Kasse dem Antrag beilegen)

Im Verlauf des Treffens wurde deutlich, dass es nicht mehr nur um die Verteidigung des Bisherigen geht, sondern um Öffnung für Neues. Dazu gehören beispielsweise komplexere und konturiertere Praxis-, Klinik-, Tagesklinikkonzepte mit Spezialisierungen, Methodenvielfalt, Konsiliartätigkeit und offenen Sprechstunden. Die Menschen brauchen schnell eine Diagnostik, Beratung, ein Therapiekonzept und eine Therapie, ohne lange Wartezeiten. Das müssen auch die Kolleginnen und Kollegen wissen und merken, damit sie uns ihre Patienten auch vermitteln und anvertrauen können. Prävention sollte, wie in anderen Fachrichtungen schon längst, ein großes Thema werden. Wir müssen langfristig verhindern, dass immer mehr Menschen psychosomatisch erkranken. Die Schwelle einen Psychosomatiker / Ärztlichen Psychotherapeuten aufzusuchen muss gering werden.
Die hier versammelten Ärztinnen und Ärzte wollen zukünftig eines: psychosomatisch- psychotherapeutisch tätig sein und zwar aus ihrer internistischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Qualifikation heraus. Also in Abgrenzung zu aber auch in Kooperation mit den Psychiatern. Die Psychosomatische Medizin sollte "selbst-verständlich" werden, auch, weil dies bei den immer weiter steigenden psychosomatischen Krankheitsfällen gesundheitsökonomisch betrachtet zwingend notwendig ist.

Dies zu vermitteln ist unsere Angelegenheit. Die Trennung von alten Strukturen und Arbeitsweisen und das Umdenken kostet Mut und Eigeninitiative. Höher frequentierte Praxen, mehr Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen, komplexere und flexiblere Behandlungskonzepte scheinen derzeit zukunftsweisend.
Auch sollten wir dies motivierend dem Nachwuchs vermitteln, um den wir uns dringend kümmern müssen.

Tatsache ist: Psychosomatische Erkrankungen nehmen zu und wir dürfen diesbezüglich unsere ärztliche Kompetenz und Verantwortung nicht länger unentfaltet lassen.

Die ersten "Aufbruchs- Gedanken" hatten in diesem Workshop Platz. Austausch und Geschlossenheit werden die Entwicklung voranbringen und das Fachgebiet der Psychosomatischen Medizin auf dem festen Fundament einer ärztlichen Identität perspektivisch wachsen lassen können.

Das nächste offizielle Treffen der "Perspektive PM" findet beim DKPM- Kongress in Nürnberg am Samstag, den 24. März 2007 statt. Bis dahin ist ein Austausch über die DGPMInternetseite (Perspektive PM) möglich. Artikel bitte an die unten stehende E-Mail- Adresse senden. Es besteht außerdem ein E-Mail-Verteiler der Interessierten. Auch darüber kann kommuniziert werden.

A. Goeldel
(BPM Aktuell und Internet- Seite der DGPM 2006)

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